Vermögensverlust bei Opfern eines Trickbetrugs

3. Nov. 2025

Das Opfer eines Trickbetrugs kann den dadurch erlittenen Vermögensverlust nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

von RD a. D. Michael Marfels, Nordkirche

Sachverhalt

Der Anrufer gab sich gegenüber der 77 Jahre alte Klägerin als Rechtsanwalt aus und forderte sie auf, 50.000 EUR als Kaution an die Gerichtskasse in X zu zahlen, um eine U-Haft ihrer Tochter, die einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht haben soll, zu vermeiden. Nach dem Telefonat mit einem angeblichen Polizisten, der sie zum Stillschweigen aufgefordert hatte, fuhr die Klägerin zur Bank und übergab den von ihr dort abgehobenen Betrag von 50.000 EUR an den „Boten“ des „Rechtsanwalts“. Die Täter konnten nicht ermittelt werden.

Die Klägerin machte den Betrag von 50.000 EUR in ihrer ESt-Erklärung als außergewöhnliche Belastungen (agB) geltend, da sie erpresst worden sei. Das FA lehnte dies wegen fehlender Zwangsläufigkeit ab. Hiergegen wendet sich die Klägerin, da sie aufgrund der Vorgehensweise der Täter keine alternativen Handlungsmöglichkeiten gehabt habe.

Entscheidungsgründe

Das FG weist die Klage als unbegründet ab. Das FA habe den Abzug des Verlusts aus dem Trickbetrug zu Recht nicht als agB anerkannt.

Welche Merkmale müssen erfüllt sein?

Eine agB setzt voraus, dass einem Steuerpflichtigen außergewöhnlich und zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen mit u. a. gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erwachsen. Aufwendungen sind zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige, sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen notwendig und angemessen sind (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Vorliegend scheitert der Abzug der von der Klägerin an die Trickbetrüger gezahlten 50.000 EUR bereits am Vorliegen einer Außergewöhnlichkeit.

Opfer einer Straftat zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko

Zunächst ist zu prüfen, ob sich durch die Straftat ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat, da dann keine Außergewöhnlichkeit des durch die Straftat verursachten Vermögensverlusts vorliegt. Denn bei § 33 EStG geht es letztlich um die Frage, ab wann der Einzelne Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft hat. Ist das allgemeine Lebensrisiko betroffen, muss der Steuerpflichtige die dadurch verursachten Kosten selbst tragen, denn § 33 EStG soll nur das Existenzminimum sichern, also Fällen Rechnung tragen, in denen das Existenzminimum höher als im Normalfall liegt. Nicht erfasst werden die üblichen Lebensführungskosten, die nicht nur einer kleinen Minderheit entstehen. Außergewöhnlich sind daher nur solche Aufwendungen, die bereits ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen und insofern nur einer Minderheit entstehen. Hieraus folgert die bisherige Rechtsprechung, dass es zum allgemeinen Lebensrisiko gehört, Opfer einer Straftat zu werden. Das FG lehnt die Gegenmeinung ab, wonach dieses Risiko dem allgemeinen Lebensrisiko der Erkrankung gleichzustellen sei, hier aber die Krankheitskosten als agB anerkannt werden. Denn Krankheitskosten nehmen nach Ansicht des FG eine Sonderstellung derart ein, dass diese dem Grunde und der Höhe nach immer zwangsläufig (aus tatsächlichen Gründen) sind, selbst wenn der Steuerpflichtige die Krankheit durch eigenes Verschulden herbeigeführt hat. Dieser Verzicht auf Ursachenforschung wird damit begründet, dass es unzumutbar sei, in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen einzudringen. Ein aus einem Vermögensdelikt entstandener Schaden kann daher mangels Außergewöhnlichkeit bzw. Zwangsläufigkeit nicht nach § 33 EStG berücksichtigt werden kann.

Ausnahmen bei bestimmten Straftaten

Allerdings hat der BFH die Außergewöhnlichkeit bejaht, wenn ein Ehemann mit der Aufdeckung eines außerehelichen Verhältnisses gegenüber seiner Ehefrau erpresst wird, da man in diesen Fällen üblicherweise nicht einer Erpressung ausgesetzt sei (aber Fehlen der Zwangsläufigkeit). Ausnahmsweise werden die Wiederbeschaffungskosten bei unfreiwilligen Verlusten von lebensnotwendigen Gegenständen (Hausrat, Kleidung) aufgrund von Naturkatastrophen, Brand oder Vertreibung als agB angesehen.

Ebenso werden Lösegeldzahlungen bei der Entführung einer prominenten Person als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.

Die Klägerin wurde dagegen nicht gezielt ausgesucht, sondern war Zufallsopfer. Trickbetrug durch Schockanrufe ist ein weitverbreitetes Pro­blem, vor dem niemand gefeit ist. Jeder mit einem Telefonanschluss kann potenzielles Opfer eines solchen Betrugs werden. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass eine Vielzahl potenzieller Betrugsversuche scheitert, weil der Betrugsversuch schnell durchschaut wird. Folglich liegt eine der o. g. Ausnahmen hier nicht vor. Vielmehr hat sich bei der Klägerin das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, Opfer eines Trickbetrugs zu werden. Durch die Zahlung der 50.000 EUR hat die Klägerin auch keine Gegenstände verloren, die zu ihrem lebensnotwendigen Bedarf gehört haben.

Fehlende Zwangsläufigkeit wegen alternativer Handlungsmöglichkeiten

Neben der Außergewöhnlichkeit der Belastung müssen zusätzlich die damit zusammenhängenden Aufwendungen zwangsläufig gewesen sein. Dies ist bei Betrug oder Unterschlagung nur gegeben, wenn die Ursache, die zum Delikt geführt hat, zwangsläufig gewesen ist. So können nur zwangsläufig z. B. durch Erpressung erzwungene Vertragsabschlüsse zum Abzug von Aufwendungen führen, nicht aber freiwillig eingegangene (nachteilige) rechtsgeschäftliche Verpflichtungen (z. B. überteuerter Hauskauf oder Darlehen an einen als kreditwürdig geltenden Freund). Bei einer Erpressung erfolgt eine zweistufige Prüfung: Keine Zwangsläufigkeit, wenn sich das Erpressungsopfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht und damit die wesentliche Ursache für die Aufwendungen selbst gesetzt hat, etwa durch Eingehen eines außerehelichen Verhältnisses oder einer Straftat. Ist dies nicht der Fall, ist weiter zu prüfen, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten. Im Fall des außerehelichen Verhältnisses ist es laut BFH für das Erpressungsopfer zumutbar, das Verhältnis seiner Ehefrau trotz deren Herzkrankheit zu gestehen, da nicht jede Aufregung zu einer Gesundheits- oder gar Lebensgefährdung geführt hätte. Es erfolgt daher kein Abzug als agB wegen sozialwidrigem Vorverhaltens (Ehebruch) als auch wegen zumutbarer Handlungsalternativen.

Zwangsläufig sind dagegen Lösegeldzahlungen für die Befreiung eines entführten Angehörigen wegen „unabweisbarer Notwendigkeit“ und fehlender Handlungsalternativen.

FG lehnt agB ab auch wegen objektiv zumutbarer Handlungsalternativen

Es lag im Streitfall zwar unstreitig ein strafrechtlicher Betrug vor, aber nicht in der Form, dass das Opfer hierdurch zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft veranlasst worden ist (Eingehungsbetrug). Die Situation der Klägerin ist vielmehr mit derjenigen einer Erpressung vergleichbar, da sie vor die Wahl gestellt wurde, entweder die „Kaution“ zu zahlen oder die U-Haft ihrer Tochter in Kauf zu nehmen (empfindliches Übel).

Auch wenn auf der ersten Prüfungsstufe keine Straftat oder sozialwidriges Verhalten der Klägerin als Zufallsopfer vorgelegen hat, kam es bei der zweiten Prüfungsstufe allein darauf an, ob sie objektiv zumutbare Handlungsalternativen zur Zahlung besessen hat. Auf die subjektiven Vorstellungen des Opfers kommt es dabei nicht an.

Objektiv bestand für die Tochter keinerlei Gefahr und daher für die Klägerin keine Zwangslage. Die Klägerin hätte den Anruf beenden und durch Rückruf bei Polizei oder Staatsanwaltschaft den tatsächlichen Sachverhalt (kein Unfall) erfahren können. Sie hätte vor allem auch versuchen können, ihre Tochter zu erreichen, oder einen Rechtsanwalt zur Abstimmung des weiteren Vorgehens konsultieren können. Dass sie diese Möglichkeit in der Stresssituation subjektiv nicht erkannt hat, ist aufgrund des allein objektiven Beurteilungsmaßstabs unerheblich.

Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, da die Frage der steuerlichen Behandlung von Betrugsopfern bei Schockanrufen eine Vielzahl von Steuerpflichtigen betrifft und höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist.

FAZIT | Das Urteil zeigt auf Basis der bisherigen Rechtsprechung auf, in welchen Fällen die Opfer von Straftaten die dadurch verursachten Aufwendungen als agB geltend machen können.

Es sind im Einzelnen folgende Kriterien zu prüfen:

  • agB nur bei Außergewöhnlichkeit der Belastung
  • agB nur bei Zwangsläufigkeit der Aufwendungen
  • Keine Veranlassung durch sozialwidriges oder strafrechtliches Vorverhalten
  • Keine objektiv zumutbaren Handlungsalternativen zur Vermeidung der Aufwendungen

Keine agB wegen fehlender Außergewöhnlichkeit und/oder Zwangsläufigkeit:

  • Zufallsopfer als Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos (Betrug durch Veranlassung für das Opfer nachteiliger Rechtsgeschäfte)
  • Opfer einer Straftat (z. B. Erpressung) aufgrund sozialwidrigen oder strafrechtlichen Vorbehaltens (Ehebruch, Straftat)

Dagegen werden Aufwendungen als agB anerkannt:

  • Lösegeldzahlungen zur Befreiung einer entführten Person
  • Aufwendungen für Wiederbeschaffung von Hausrat etc. bei Naturkatastrophen, Brand etc. (wohl aber nicht bei Diebstahl von Hausrat)

Nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die Aufwendungen infolge von Schock­anrufen als agB geltend gemacht werden können. Da mit einer Revisions­einlegung zu rechnen ist, sollte in vergleichbaren Fällen die Entscheidung durch Einspruch oder Klage offengehalten werden bis zur Entscheidung durch den BFH.

FUNDSTELLE

  • FG Münster 2.9.25, 1 K 360/25, Revision zugelassen, Abruf-Nr. 250144

 

 

Quelle: AStW Aktuelles aus dem Steuer-und Wirtschaftsrecht, Ausgabe 11-2025, Seite 788ff
Quelle: selbst erstellt mit KI