Geheimhaltungs- versus Offenbarungsinteresse
Ein Steuerpflichtiger hat im Regelfall keinen Anspruch auf Preisgabe einer anonym beim Finanzamt eingegangenen Anzeige, die ihm steuerliches Fehlverhalten vorwirft. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch vermittelt insoweit keine weitergehenden Rechte
Sachverhalt
Im Streitfall nahm das Finanzamt eine anonyme Anzeige zum Anlass, um bei der Steuerpflichtigen, die einen Gastronomiebetrieb führte, eine Kassen-Nachschau durchzuführen. Ein steuerstrafrechtliches Fehlverhalten der Steuerpflichtigen wurde hierbei nicht festgestellt.
Im Nachgang beantragte die Steuerpflichtige Einsicht in die für sie geführten Steuerakten. Zudem begehrte sie Auskunft über die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gemäß Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Mit beidem wollte die Steuerpflichtige Kenntnis vom Inhalt der Anzeige erhalten, um auf diese Weise Rückschlüsse auf die Person des Anzeigeerstatters ziehen zu können. Das Finanzamt lehnte die Anträge ab. Die Klage beim Finanzgericht hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Er führte aus, einem Steuerpflichtigen sei keine Einsicht in eine in den Steuerakten befindliche anonyme Anzeige zu gewähren, wenn
- das Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters und
 - das Geheimhaltungsinteresse der Finanzbehörde höher zu gewichten sei als
 - das Offenbarungsinteresse des von der Anzeige Betroffenen.
 
Hiervon sei im Regelfall auszugehen, es sei denn, der Steuerpflichtige würde – was im Streitfall nicht in Betracht zu ziehen war – infolge der Anzeige einer unberechtigten strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt.
Dem von der Steuerpflichtigen verfolgten Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige nach Artikel 15 DSGVO erteilte der BFH ebenfalls eine Absage. Zwar beinhalte eine solche Anzeige regelmäßig personenbezogene Daten, über die die Behörde grundsätzlich Auskunft erteilen müsse. Allerdings werde der Anspruch durch § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO beschränkt, da durch die Preisgabe des Inhalts der Anzeige die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörde (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) gefährdet werden könnte. Darüber hinaus verböte der Identitätsschutz des Anzeigeerstatters eine Auskunftserteilung.
FUNDSTELLE
- BFH 15.7.25, IX R 25/24, de/astw, Abruf-Nr. 250347