Die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auf verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) ist auch dann gem. § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 1 EStG ausgeschlossen, wenn das Einkommen der leistenden Körperschaft durch eine verhinderte Vermögensmehrung gemindert worden ist.
Hintergrund
Überlässt eine Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein betriebliches Wirtschaftsgut unentgeltlich oder verbilligt auch zur privaten Nutzung, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA vor, ohne dass es einer tatsächlichen Nutzung bedarf. Denn der Vorteil des Gesellschafters liegt bereits in der Möglichkeit der privaten Nutzung.
Sachverhalt
In den Streitfällen hatte eine GmbH ihren Gesellschaftern eine in Spanien belegene (Ferien-)Immobilie ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen. Die Gesellschafter bewohnten die Immobilie bei verschiedenen Aufenthalten mit ihren Familien. Ein Entgelt mussten sie dafür nicht zahlen. Vermietet wurde die Immobilie nicht. Die Kapitalgesellschaft verzichtete dadurch gegenüber ihren Gesellschaftern auf eine Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte für die dauerhafte Überlassung der Immobilie zur Nutzung. Dies führt bei den Gesellschaftern zu Kapitaleinkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Entscheidung
In den Streitfällen war das FA zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 1 EStG Anwendung findet.
Nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, 25 %. Dies gilt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 1 EStG jedoch nicht für Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und für Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 9, „soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben“.
- 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG wurde mit dem Ziel eingeführt, eine doppelte steuerliche Begünstigung zu vermeiden, indem vGA nicht dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, wenn sie auf Ebene der Körperschaft nicht besteuert wurden.
Die Einführung des erstmals im Veranlagungszeitraum 2011 anwendbaren § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG wurde damit begründet, dass im Rahmen der Abgeltungsteuer keine materielle Korrespondenz zwischen der Abgeltungsteuer und der steuerlichen Behandlung bei der leistenden Körperschaft besteht. Diese wird durch § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG hergestellt.
Dabei ist es ohne Belang, ob die zu beurteilende vGA von einer inländischen oder ausländischen Gesellschaft geleistet wurde. Denn weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Gesetzesmaterialien lassen eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Gesellschaften zu. Der Gesetzgeber wollte das materielle Korrespondenzprinzip vielmehr ausdrücklich auch auf ausländische Gesellschaften erstrecken. Dafür, dass er hiervon im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG abweichen wollte, ist nichts ersichtlich. Vielmehr sollte ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG das für das Teileinkünfteverfahren bereits bestehende materiellrechtliche Korrespondenzprinzip für den Bereich der Abgeltungsteuer unverändert übernommen werden.
Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 1 EStG gilt der Ausschluss von der Abgeltungsteuer allerdings nur, „soweit“ die vGA das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben. Umgekehrt bedeutet dies, dass bei der Besteuerung des Gesellschafters die Abgeltungsteuer zur Anwendung kommen kann, wenn und soweit die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei der Besteuerung der Gesellschaft gewinnerhöhend berücksichtigt wurde.
In einigen Streitjahren wurden aus dem Umstand, dass die zum Betriebsvermögen gehörende Immobilie den Gesellschaftern unentgeltlich zur Nutzung überlassen wurde, keine steuerlichen Folgen gezogen. In anderen Streitjahren hatte die GmbH dagegen (fiktive) Einnahmen i. H. v. 30.000 EUR pro Jahr erklärt.
In Spanien gilt der Grundsatz der steuerlichen Selbstveranlagung (autoliquidación). Das heißt, der Steuerpflichtige muss die von ihm zu zahlenden Steuern selbst ausrechnen und erklären und innerhalb der gesetzlichen Fristen an den spanischen Fiskus abführen. Steuerbescheide ergehen im Regelfall nicht und waren im Streitfall auch nicht ergangen. Nach Aktenlage ist bei der GmbH somit eine Besteuerung der Nutzungsüberlassung erfolgt. „Insoweit“ – d. h. im Verhältnis der erklärten Einnahmen zur Kostenmiete – kam die Ausnahmevorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG nicht zur Anwendung mit der Folge, dass es bei der Anwendung der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG blieb.
Beachten Sie — In allen drei Streitfällen hat das FG die Revision zugelassen, da die Frage, ob § 32d Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 1 EStG auch auf vGA in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung Anwendung findet, höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde.
FUNDSTELLE
- FG Düsseldorf 5.9.25, 10 K 2605/20 E, 10 K 2606/20 E, 10 K 2609/20 E, de/astw, Abruf-Nr. 251409, 251410, 250846