Eine jüngst veröffentlichte Pressemitteilung des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) hat in der Öffentlichkeit, insbesondere jedoch in der Influencer-Szene, für erhebliche Unruhe gesorgt. Unter dem Titel „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil“ kündigte das LBF an, ein umfangreiches Datenpaket auszuwerten, das rund 6.000 Datensätze mit einem geschätzten steuerstrafrechtlich relevanten Volumen von ca. 300 Mio. EUR umfasst. Im Fokus: professionelle Content-Creators aus Nordrhein-Westfalen, die mutmaßlich über längere Zeit hinweg systematisch ihre steuerlichen Pflichten missachtet haben.
von Lukas Hendricks, Steuerberater, Bonn
Worum geht es?
Die Aussagen der Behördenleitung sind bemerkenswert deutlich: Es gehe nicht um Überforderung oder Unwissenheit, sondern um steuerliche Umgehung in großem Stil – mit Vorsatz und krimineller Energie. Die Steuerfahndung betont ausdrücklich, dass nicht kleinere Influencer mit vereinzelten Produktplatzierungen, sondern wirtschaftlich bedeutsame Akteure mit relevanten Einkünften im Visier stehen. Dabei ist nicht nur die Höhe der Einnahmen von Belang – auch die gewählte Gestaltung, etwa durch Wohnsitzverlagerung ins Ausland, Offshore-Gestaltungen oder das Verschweigen von Plattformvergütungen, rückt in den Fokus der Ermittlungen.
Damit bestätigt sich wieder einmal: Die Mühlen der Finanzverwaltung mahlen langsam, aber gründlich. Manch ein Steuerberater hat sich in der Beratung von Influencern schon den Mund „fusselig geredet“, weil der Mandant garantiert einen Forumsbeitrag aus dem Internet kannte, der belegen sollte, dass die Konventionen des Steuerrechts nicht für Influencer gelten
Nordrhein-Westfalen hat sich mit der Einrichtung des LBF – das am 1.1.2025 als Zusammenschluss sämtlicher Steuerfahndungsstellen des Landes offiziell seine Arbeit aufgenommen hat – eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung digitaler Steuerkriminalität erarbeitet.
Fahndung nach dem Vorbild Task Force Gebrauchtwagenhandel
Insbesondere setzt die Finanzverwaltung Software-Tools ein, die akribisch Werbe-Postings dokumentieren, auch wenn diese bereits nach wenigen Tagen durch den Influencer wieder gelöscht wurden. Vergleichbar einer Task Force der Finanzverwaltung zum Thema Gebrauchtwagenhandel auf Plattformen wie Autoscout24 und mobile.de, bei der über Jahre hinweg Onlineinserate von Fahrzeugen gesichert wurden, um zur Überprüfung der Vollständigkeit der Besteuerung die Inserate später mit den Steuererklärungen der betroffenen Händler abzugleichen, hat die Finanzverwaltung Daten der Influencer gesichert, die heute gar nicht mehr online zu finden sind.
Auch andere Bundesländer, wie etwa Hamburg, greifen mittlerweile auf ähnliche Ermittlungsansätze zurück. Die Folgen der medialen Aufmerksamkeit sind bereits spürbar: Zahlreiche Influencer, die bislang ihre steuerlichen Pflichten ignoriert oder unterschätzt haben, suchen nun steuerlichen Rat.
Praxistipp
Für Steuerberater ergibt sich hier die Möglichkeit einer rechtzeitigen Korrekturberatung – denn grundsätzlich gilt auch für Influencer: Für die strafbefreiende Selbstanzeige gelten die allgemeinen Regeln der §§ 371, 398a AO.
Selbstanzeige bleibt auch für Influencer der einzig sichere Weg zur Straffreiheit
In der Praxis ist aufzuklären, dass eine ordnungsgemäße Selbstanzeige nur dann strafbefreiend wirkt, wenn sie vollständig und rechtzeitig – also vor Tatentdeckung – erfolgt. Influencer, die bislang keine oder unvollständige Erklärungen abgegeben haben, können und sollten auf diesem Weg „reinen Tisch“ schaffen. Voraussetzung ist dabei jedoch die rückwirkende vollständige Offenlegung sämtlicher relevanter Einkünfte – typischerweise aus:
- Werbepartnerschaften und Affiliate-Links
- Abo-Modellen und Plattformvergütungen (z. B. YouTube, Twitch, TikTok)
- Produktverkäufen (auch über Drittplattformen)
- Spenden und Trinkgeldern (sog. „Donations“) oder exklusivem Content („pay per view“)
- NFT-, Krypto- oder virtuellen Gegenleistungen
Eine besondere Herausforderung ergibt sich häufig bei der Beschaffung der zur Selbstanzeige erforderlichen Unterlagen. Plattformen stellen häufig keine vollständigen Abrechnungen zur Verfügung und Gutschriften erfolgen über ausländische Zahlungsdienstleister. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit Mandantinnen und Mandanten erforderlich, um Buchungsdaten, Kontoauszüge und Plattformberichte lückenlos zu rekonstruieren. Im Zweifel ist es ratsam, eher zu viel als zu wenig zu schätzen, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht zu gefährden.
Der Steuerberater muss in diesem Kontext auch auf die Risiken unvollständiger oder verspäteter Selbstanzeigen hinweisen: Liegt bereits eine Prüfungsanordnung, ein Anfangsverdacht oder eine konkrete Maßnahme der Strafverfolgungsbehörde vor, kann die strafbefreiende Wirkung bereits ausgeschlossen sein. Gerade im aktuellen Umfeld, in dem ein systematisches Auswerten großer Datenmengen erfolgt, ist dieses Risiko real.
FAZIT | Die steuerliche Beratungspraxis ist gefordert, angesichts der neuen Zielrichtung der Finanzverwaltung insbesondere jüngere Mandantengruppen – etwa aus der digitalen Kreativwirtschaft – auf ihre steuerliche Erklärungspflicht hinzuweisen. Influencer, Streamer und andere Online-Akteure sind nicht nur wirtschaftlich relevant, sondern häufig steuerlich uninformiert oder nicht beraten. Gleichzeitig sind die Risiken erheblicher steuerlicher Nachzahlungen und strafrechtlicher Konsequenzen real. Eine strukturierte und präventive Beratung ist nicht nur für Mandanten, sondern auch aus haftungsrechtlicher Sicht für Beraterinnen und Berater unerlässlich.